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Rechtliche Überlegungen zur Frühdefibrillation

Frühdefibrillation ist der Einsatz eines Gerätes, welches das Herzflimmern unterbricht und das Herz zur normalen Arbeit als Pumpe des Blutkreislaufes zurückführt.

Dies ist computergesteuert und vermittelt automatisch den im konkreten Fall richtigen elektrischen Impuls auf den Körper. Eine Computerstimme gibt dem Helfer die notwendigen Anweisungen.

Sämtliche internationalen medizinischen Fachgremien sind sich einig, dass auch Laien die Frühdefibrillation lernen und anwenden können. Dies ist in diversen wissenschaftlichen Publikationen festgehalten.

Die Anwendung der Frühdefibrillation ist rechtlich unter drei Aspekten zu beurteilen:

  • Strafrecht: Kann eine fahrlässige Körperverletzung oder Tötung erfolgen?
  • Zivilrecht: Kann es Haftungsfälle infolge falscher Frühdefibrillation geben?
  • Gibt es gesundheitspolizeiliche Einschränkungen?

Strafrechtliche Beurteilung

Wenn ein zufälliger Helfer eine Schulung absolviert und Zugriff auf ein Gerät hat, das dem Stand der wissenschaftlichen Erkenntnis entspricht, ist er dazu verpflichtet, diesen Defibrillator effektiv einzusetzen, wenn er erkennt, dass akute Lebensgefahr besteht.

Kommt er dieser Pflicht nach, besteht das Risiko, dass er wegen der Aufregung des Ernstfalls den Kopf verliert und dass der Versuch der Hilfeleistung misslingt. Daraus kann keine fahrlässige Tötung oder Körperverletzung oder Verantwortlichkeit wegen unterlassene Nothilfe abgeleitet werden - im übrigen würden sich Kausalzusammenhänge zwischen fehlerhaftem Handeln und gesundheitlichen Schäden beim Betroffenen oder Tod des Patienten nicht beweisen lassen, da bekanntlich nur ein Teil der Opfer eines plötzlichen Atemstillstands gerettet werden kann.

Aus Art. 128 StGB kann keine Verantwortung abgeleitet werden für den medizinischen Erfolg versuchter Hilfe. Die Bestimmung bestraft nur die Passivität.

Bei Postendiensten – also einem vertraglich mit einem Organisator vereinbarten Sanitätsdienst – ergibt sich für die strafrechtliche Beurteilung keine andere Beurteilung, solange das eingesetzte Personal nach bestem Wissen und Können arbeitet. Das Unterlassen der Nothilfe dürfte in diesem falle aber strenger bestraft werden als gegenüber einem zufälligen Helfer.

Zivilrechtliche Beurteilung

Der Umstand, dass auch bei perfekter Hilfe nur ein Teil der Opfer eines plötzlichen Atemstillstands gerettet werden kann, entzieht gegenüber zufälligen Helfern auch zivilrechtlichen Haftungsansprüchen wegen falscher resp. erfolgloser Frühdefibrillation den Boden.

Eine Haftung kann für einen Samariterverein entstehen, wenn er dem Organisator einer Veranstaltung zusichert, auf dem Sanitätsposten Frühdefibrillation anzubieten, dann nämlich, wenn. kein (funktionsfähiges) Gerät vorhanden ist oder wenn das vorhandene Gerät nicht eingesetzt wird, obwohl erkennbar ein Fall plötzlichen Atemstillstands vorliegt. Wenn der Organisator seinerseits den Besuchern der Veranstaltung die Präsenz eines guten Sanitätsdienstes zugesichert hat und dies im Ernstfall nicht gewährleisten kann, steht er vor zwei Problemen:

Einerseits kann er selbst als Organisator geschädigt sein, weil seine Reputation leidet oder weil er behördlich belangt wird wegen Missachtung von sanitätsdienstlichen Auflagen – und dieser Fall muss von den Organisatoren eines Sanitätsdienstes durchaus ernst genommen werden. Anderseits kann der Organisator konfrontiert werden mit Schadenersatzforderungen des Opfers resp. der Angehörigen des Opfers. In diesem Zusammenhang ist zu berücksichtigen, dass ein Kläger grosse Mühe hätte zu beweisen, dass die bleibende gesundheitliche Schädigung resp. der Tod des Opfers im Falle rechtzeitiger und korrekter Frühdefibrillation unterblieben oder weniger schlimm ausgefallen wäre. Dieselben Probleme ergäben sich bei der Bemessung des Schadens. Für den Kläger bestünden Unwägbarkeiten, die sein Prozessrisiko schier unberechenbar machen würden. Dieser theoretisch denkbare Fall wird praktisch kaum je eintreten.

Eine Verantwortlichkeit aus pflichtgemäss versuchter, aber erfolgloser Frühdefibrillation gibt es aber auch beim Postendienst nicht.

Insgesamt ergibt sich, dass sorgfältiges und verantwortungsbewusstes Handeln rechtliche Risiken ausschliesst.

Gesundheitspolizeiliche Einschränkungen

Bezüglich des Einsatzes von Frühdefibrillatoren sind keine kantonalen gesundheitspolizeilichen Einschränkungen bekannt.


Kurt Sutter, ehemaliger Zentralsekretär SSB